[Jan 10, 1940.] Lieber Nathan! Ich habe das Schreiben bezüglich der Jerusalemer Akademie ebenfalls bekommen, war aber nicht imstande, mir eine Meinung darüber zu bilden. 1) Persönliche Anregung kann nur an dem Ort gegeben werden, wo die Akademie ist, d. h. in Jerusalem. Oder sollen in anderen Städten Filialen dieser Akademie gebildet werden, die sich ähnlichem Thun widmen? Sollen für Refugees Versammlungen von Wissenschaftlern gemacht werden? Da könnte es sich in der Hauptsache nur um die Spezialfächer handeln. Die Spezialisten werden aber eher Refugees zu ihren Seminarien etc zulassen als sich unter der Aegide einer Jerusalemer Gründung versammeln. Selbst wenn sie sich bereit erklärten, würde es wegen Zeitmangels nicht lebendig werden. 2) Oder handelt es sich um Arbeitsvermittlung nach Fächern, derart, dass die Mitglieder sich verpflichten, in den einzelnen Fällen ihr Mögliches zu thun? Ich glaube die guten Willens sind, thun es schon die ganze Zeit über, und die übrigen lassen sich dafür nicht organisieren. 3) Oder handelt es sich um Publikations-Ermöglichung. Es besteht doch wenig Schwierigkeit, Publikationen, deren Inhalt Verständnis fänden, gedruckt zu erhalten in einer der ohnehin allzu zahlreichen Fachschriften. 4) Oder handelt es sich um finanzielle Unterstützung produktiver exilierter Kräfte? Wozu kann da eine Jerusalemer Akademie dienen, die gewiss selber keine Mittel hätte 5) Soll es sich um einen (politischen) Akt der Sympathie der nichtjüdischen Gelehrten gegenüber der gemarterten jüdischen Intelligentia handeln? Dies wäre sehr lobenswert. Aber ein Ereignis schafft noch keinen Zustand; und es besteht Gefahr, dass man aus gutem Herzen etwas zur Welt bringt, was weder leben noch sterben kann, wenn wieder normale Zeiten kommen. (Siehe die Schaffung des internationalen Research Council nach dem letzten Kriege. Kurzum ich verstehe nicht, um was es sich eigentlich handelt. Jedenfalls soll man nichts machen, was eine Blamage würde. [AL]