Old Lyme, Conn. 22. 7. [1935] Lieber Herr Dr. Nathan: Zu kurz war gestern Ihr Aufenthalt hier. Mir jedenfalls zu kurz. Wenn Sie von Ihrer Europareise zurückkommen, dann lasse ich Ihnen keine Ruhe, bis Sie einige Tage bei uns verbringen, Sie würden es gut haben und es würde Ihnen sicher gefallen. Betreffs Hans Meyer teile ich Ihnen jetzt Einzelheiten mit. Er bekam Weihnachten das Affidavit und seit dieser Zeit ist ein Hin- und Hergezerre, er fährt alle möglichen Geschütze auf und kann die Einreise nicht bekommen. Wir hören von verschiedenen Seiten, auch aus Paris, dass der amerikanische Konsul dort sehr scharf gegen Juden vorgeht und ihnen Schwierigkeiten macht. Ein Telegramm kam: lack of funds verbieten die Ausreise. Wir sandten darauf eine detaillierte Aufstellung von unseren Vermögensverhältnissen und betonten ausdrücklich, dass wir die weitgehendste Garantie für Hans Meyer übernehmen und dass wir ihn wie unseren eigenen Sohn betrachten. Wir schrieben auch nach Washington an das State Department und liessen von dort aus nach Paris schreiben. Alles war vergebens, der Konsul beharrt auf seiner Weigerung. Nun schlägt Hans vor, dass wir ihm pro forma eine grosse Geldsumme überschreiben. Aber das macht auch Schwierigkeiten und vielleicht würde es der Konsul nicht mehr glauben. Ist es nicht eine Schande und ein Skandal, dass mein Mann nicht imstande ist, auf ein Affidavit und alle möglichen Garantien hin seinen Neffen herüber zu bringen? Es ist sicher eine persönliche feindselige Stellungnahme Albert gegenüber vorhanden. Wahrscheinlich ist der Mann nicht nur ein grosser Antisemit, sondern auch nazifreundlich, das kann man wohl annehmen. Der Fall ist deshalb so tragisch, weil am 30. September Hansens Pass abläuft und er dann keine Aussicht mehr hat, herüber zu kommen. Seine Mutter ist hell verzweifelt darüber und er selbst ist auch ratlos. Er hat auch in Paris kein Einkommen mehr und die Lage ist somit für ihn denkbar ungünstig. Könnten Sie helfen? Vielleicht kann MacDonald in Bewegung gesetzt werden. Die stocks liegen mir schon lange auf der Seele. Ich habe immer gezählt und gezählt und ich bring die Summe, die wir haben müssten, nicht zusammen. Tun Sie mir den Gefallen und forschen nach. Wenn Cassel sagt, er habe es abgeliefert, so müssten sie im Safe sein. Aber da sie nicht dort sind, so weiss ich mir keinen Rat. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, wieso Cassel mir die Aktien nicht abgeliefert hat. Ich war damals nur mit meinem Kind beschäftigt und auch [TLS] nachher, als mir die Abrechnung übergeben wurde, war mir alles egal. So egal, dass ich nicht einmal nachgerechnet habe. Nun kommt ja noch etwas merkwürdiges. Ich habe noch nie einen Cent Zinsen bekommen von den stocks, die Sie erwähnten. Ich habe überhaupt noch nie den Namen dieser stocks gehört. Gestern zum ersten Mal, als Sie davon sprachen. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Sache entwickeln wird. Ich habe bereits ein Telegramm nach Zürich geschickt, um die dort befindlichen Franken in Pfunde umwechseln zu lassen. Ein Brief war mir doch zu unsicher. Ein kleines Paketchen für die Luchaire sende ich Ihnen dieser Tage. Vielleicht auch erst ans Schiff, wenn ich es in New York erst besorge. Ich wäre sehr froh, wenn Sie Frau Luchaire sprechen könnten, sie will sicher über uns berichtet bekommen. Bucky fanden wir gestern sehr schlecht aussehend. Wir machen uns wirkliche Sorgen seinethalben und wir sehen sehr düster in dieser Beziehung.—Hoffentlich gönnen Sie sich in Europa ein bischen Ruhe und Muse. Ich habe nicht das Gefühl, dass Sie uns abhanden kommen, denn Princeton und New York sind nahezu eines. Seien Sie von Herzen gegrüsst und stets bedankt Ihre Elsa Einstein. [Verso. Last two lines of closure handwritten.]