[10 June 1948] -1- Hinter dieser Versammlung steht die ernste Sorge um unser aller Zukunft. Es ist keine politische Versammlung im gewöhnlichen Sinne des Wortes, obwohl es sich ausschliesslich um politische Probleme handelt. Als unmittelbarer Anlass zu unserer Zusammenkunft mag die strikte Weigerung unserer Regierung betrachtet werden, dem von Russland angebotenen Weg direkter Verhandlungen zuzustimmen. Dies Ereignis zeigt in greller Beleuchtung in ein wie gefährliches Stadium die Beziehungen zwischen U.S.A. und U.S.S.R. geraten sind. Alle Völker dürsten nach Frieden. Die schweren Wunden, die der Krieg geschlagen hat, sind noch unvernarbt. Die Regierungen sind nirgends, auch nicht in einem totalitär regierten Staate, unabhängig vom Willen der Völker. Jeder weiss, dass unter den gegenwärtigen technischen Bedingungen ein Krieg Massenvernichtung der Menschen und der Produkte ihrer Arbeit in noch nie erlebtem Ausmasse bedeutet. Wie also ist es möglich, dass schon wieder Kriegsgefahr besteht? Wie ist es möglich, dass sonst normale Menschen in diesem Lande selbst vor der Idee eines Präventiv-Krieges nicht unbedingt zurückschrecken, obwohl sie wissen müssen, dass sie irreparables Unheil für ihr eigenes Land zu riskieren haben? Warum bringt man schwere Opfer für die wirtschaftliche Hilfe für das westliche Europa, während man gleichzeitig durch Erhöhung der Kriegsgefahr den Unternehmungsgeist lähmt und dadurch die Hilfsaktion selbst wieder illusorisch macht? Die Antwort ist einfach. Solange der Krieg nicht durch übernationale Organisation unmöglich oder wenigstens für den Angreifer praktisch aussichtslos gemacht ist, müssen die Regierungen Vorkehrungen treffen, damit ihre Situation im Falle eines Krieges eine möglichst günstige sei. [TD] -2- Diese Vorkehrungen aber schaffen solche Spannungen und solches Misstrauen, dass durch sie früher oder später der von allen gefürchtete Krieg mit Notwendigkeit herbeigeführt wird. Diese Sachlage bringt es mit sich, dass sowohl die USA als auch Russland darauf ausgehen, einen möglichst grossen Teil der Völker und der militärisch wichtigen Positionen so von sich abhängig zu machen, dass sie für den Fall des Krieges zuverlässige Bundesgenossen bezw. Stützpunkte gewinnen. Jeder derartige Schritt des einen bedeutet zugleich eine Bedrohung des andern und erzeugt gewissermassen automatisch Gegenaktionen. Jeder sieht in den Aktionen des Gegen-Partners die Absicht, die ganze Erde zu beherrschen. Also: Kein Friede ist möglich ohne übernationale Lösung des Sicherheitsproblems, welche nationale Kriegsvorbereitung unnötig und auch unmöglich macht. Die Vereinigten Staaten sind aus dem Kriege als stärkste militärische und wirtschaftliche Macht hervorgegangen. Sie verfügen für einige Zeit allein über die mächtige Atomwaffe. Diese Macht ist aber mit der grössten Verantwortung verbunden. Wir sind grossenteils verantwortlich dafür, dass seit Beendigung des Krieges der verhängnisvolle Weg des Wettrüstens eingeschlagen wurde, der die damals weit günstigeren Aussichten für die allein wirksame übernationale Lösung des Sicherheitsproblems weitgehend verdorben hat. Jeder neue Schritt nationaler Aufrüstung führt uns weiter weg von dem Ziel eines gesicherten Friedens. Jeder solche Schritt ist aber auch ein Nagel zum Sarge der demokratischen Freiheiten. -3- Bevor wir heute an die Lösung des grossen Problems gehen können, müssen wir dafür arbeiten, dass das in diesen drei verhängnisvollen Jahren verlorene gegenseitige Vertrauen wieder gewonnen werde. Dies kann nur durch geduldiges und verständnisvolles Verhandeln geschehen; es soll und darf keine Politik der Schwäche und der ungerechtfertigten Konzessionen sein, aber eine Politik der Billigkeit und des Verständnisses für die Lebensnotwendigkeiten und Traditionen anderer Nationen. Die Politik einer demokratischen Nation hängt von der Urteilskraft und dem Character jedes einzelnen Bürgers ab. Wir müssen alles daran setzen, dass der bedeutende, unserem Lande gegenwärtig gegebene Einfluss allen Nationen zugute komme; dies ist der einzige Weg, auf dem wir für uns selbst Sicherheit erlangen und unser politisches Erbe bewahren können. s. Einstein on Peace p 486f [TD. Label.]